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Kathopanishad/Yama und Nachiketa
Eine Nacherzählung des ersten Handlungsstrangs der Kathopanishad
Heute möchte ich euch gerne die Geschichte von Nachiketa erzählen, diesem besonderen Jungen, der es geschafft hat, den Todesgott Yama in ein langes Gespräch zu verwickeln. Ein Gespräch, in dem es um nichts Geringeres, als um Moksha, das Erreichen der höchsten, unsterblichen und ewigen Glückseligkeit geht.
Aber bevor ich diese kleine sehr feine Geschichte erzähle, möchte ich euch noch kurz und sehr rudimentär mit dem Begriff „loka“ vertraut machen. Wir alle haben das Wort „loka“ schon einmal gehört. Spätestens dann, wenn wir das erste Mal voller Hingabe das Mantra „samasta loka sukhino bhavantu“ gesungen haben.
Einfach übersetzt bedeutet loka aber nur so viel wie „Raum“ – ein Raum, in dem eine grobstoffliche oder feinstoffliche Manifestation staffindet. Loka ist also eine Seins- und Erfahrungsebene. Diese kann angenehm oder unangenehm sein.
Wie in allen Religionen, geht man auch in der indischen Kultur davon aus, dass es nach dem Leben angenehme und unangenehme Orte gibt. Aus dem Christentum kennen wir ja schon den Himmel oder die Hölle. Himmel und Hölle gibt es auf irgendeine Art in jeder Religion, aber nirgendwo werden sie so differenziert betrachtet wie im Vedanta. Denn in der Vedanta Philosophie werden sieben niedere lokas und sieben himmlische lokas beschrieben.
Wir befinden uns während unseres Menschenlebens auf der Erde, inmitten der grobstofflichen Manifestationen des bhūḥ lokah Wenn wir die Himmelsleiter aufsteigen, kommt die feinstoffliche Zwischenwelt des bhuvaḥ loka. Danach folgt die kausale göttliche Daseinsebene des suvaḥ loka.
Man kann also sagen, dass jeder, der das heilige „oṃ bhūr bhuvaḥ svaḥ“ des Gayatri Mantras chantet, die ersten drei Himmelsebenen automatisch mit einbezieht.
Doch danach ist es noch nicht vorbei mit den Himmelsebenen. Es folgen mahaḥ loka, janaḥ loka, tapaḥ loka. Und zu guter letzt satya loka – der siebte Himmel.
Wenn wir von bhūḥ lokah nach unten absteigen treffen wir der Reihe nach auf:
atala loka, vitala loka, sutala loka, talātala loka, mahātala loka, rasātala loka und pātāla loka.
Das sind viele Namen und ich muss ehrlich sagen, dass ich sie mir nicht wirklich merken kann. Aber ich erzähle euch davon, weil sich in mir, als ich diese Namen zum ersten Mal gehört habe, so etwas wie eine ganz tiefe Erinnerung gemeldet hat. So, als würde ein Teil von mir an all diesen Orten schon einmal gewesen sein – in der dunkelsten Hölle und auch im höchsten Himmel.
Dass ich hier sitze und diese Zeilen aufschreibe, beweist, dass ich dort nicht bleiben durfte. Denn egal, wie weit man die Himmelsleiter schon hochgeklettert ist, irgendwann ist auch dort das Karma ausgelaufen und der Kreislauf von Geburt und Tod beginnt von Neuem. Es ist eine never ending story…
Die höheren und niederen lokas
Wie auch immer: Jeder will natürlich nach seinem Tod im siebten Himmel landen. An einem Ort, an dem es kein Leiden gibt und an dem man sehr lange die himmlischen Freuden genießen kann.
Und genau dieser Wunsch ist der Ausgangspunkt für die Geschichte, die in der Kathopanishad erzählt wird:
Derjenige, der dafür verantwortlich ist, ob der Lift nach dem Tod nach oben oder unten fährt, ist der Todesgott Yama. Er führt in gewisser Weise Buch über all unsere Taten und vergibt laufend Karmapunkte. Die entscheiden darüber, auf welche Ebene wir nach unserem Tod kommen werden. Also ist es natürlich empfehlenswert, schon zu Lebzeiten einen guten Eindruck bei Yama zu hinterlassen.
Das kann man dadurch erreichen, dass man sein ganzes Leben auf Gott ausrichtet und ausschließlich gute Taten vollbringt; oder man kann zusätzlich und um ganz sicher zu gehen noch bestimmte Opferzeremonien ausrichten, die die Götter gnädig stimmen.
Und genau das wollte der Vater von Nachiketa mit der Durchführung eines sehr umfangreichen Opferrituales erreichen. – Er erhoffte sich damit einen Platz im 7. Himmel zu sichern. Dieses Ritual sah vor, dass man den größten Teil seines Besitzes opferte, also alles hergab, was man nicht unbedingt brauchte.
Nachiketa, der als Sohn eines Brahmanen um die Bedeutung dieses großen Opfers wusste, freute sich zunächst sehr, da er sich für seinen Vater einen guten Platz im Himmel wünschte. Aber als er sich dann die Geschenke, die sein Vater verteilte, näher ansah, wurde seine Freude nach und nach immer mehr getrübt. Denn neben allen möglichen unnötigen Dingen zogen auch ein paar klapprige Kühe an ihm vorbei. Die konnten sich kaum mehr auf den Beinen halten, geschweige denn noch einen Tropfen Milch geben.
In der Kathopanishad heißt es, sie hätten „ihr letztes Schlückchen Wasser getrunken und ihren letzten Grashalm gegessen.“
Als liebender und aufmerksamer Sohn machte sich Nachiketa ernsthafte Sorgen, dass sein Vater den Göttern mit diesen unnützen Dingen und uralten Kühen keine besonders große Freude machen würde. Und dass sein Plan, durch diese Opfergaben in den Himmel zu kommen, wahrscheinlich scheitern würde.
Nachiketa dachte nach und kam zu dem Schluss, dass er, als einziger Sohn, für den Vater auch einigen Wert besäße und den Fehler mit den Kühen vielleicht wieder ausgleichen könnte. Also fragte er seinen Vater: „Vater, wem wirst Du mich opfern?“
Der Vater reagierte nicht. Da fragte Nachiketa noch einmal: „Vater, an wen wirst Du mich opfern?“
Als der Vater sich immer noch taub stellte, fragte er sehr bestimmt und laut ein drittes Mal: „Vater, zu wem gibst Du mich?“
Nun konnte der Vater ihn nicht weiter ignorieren. Er wurde ziemlich wütend, denn ihm war klar, dass sein cleverer Sohn ihn durchschaut hatte und rief wutentbrannt: „Dem Tod werde ich Dich geben!“
Kaum hatte er das gesagt, da verließ Nachiketa auch schon seinen Körper und befand sich unmittelbar vor dem Haus von Yama, dem Herrn des Todes. Der war aber gerade nicht zu Hause, sondern hatte irgendwelche dringenden Angelegenheiten zu erledigen. Und da sich auch sonst niemand um das Brahmanenkind kümmerte, blieb Nachiketa einfach vor Yamas Haus sitzen, um auf den Tod zu warten. Denn er wollte, dass das Versprechen seines Vaters, ihm dem Tod zu übergeben, auf gar keinen Fall gebrochen wurde.
Nach drei Tagen und Nächten kam Yama endlich nach Hause und fand dort immer noch einen unbeweglichen und entschlossenen Nachiketa auf seiner Türschwelle sitzen. Yama war zutiefst beindruckt von dem Jungen.
Er sagte zu ihm: „Nachiketa, Du bist wirklich etwas Besonderes. Du fürchtest Dich nicht vor dem Tod und obwohl Du noch so jung bist und Deine Zeit noch gar nicht gekommen ist, sitzt Du, ein Brahmane, hier vor meiner Tür und wartest drei Tage und Nächte auf mich, ohne dass Dich jemand bewirtet hätte. Als Entschädigung für Deine lange Wartezeit und die mangelnde Gastfreundschaft will ich Dir drei Wünsche gewähren. Sag, was willst Du. Ich werde Dir jeden Wunsch erfüllen. Also nenne mir Deinen ersten Wunsch.“
Nachiketa überlegte nicht lange und sagte zu Yama:
„O Tod, der erste Wunsch, den ich habe, ist, dass mein Vater nicht mehr auf mich wütend ist und dass er mich erkennt und mich liebevoll grüßt, wenn ich von Dir zurückgesandt werde.“
Yama schmunzelte, denn er hatte natürlich sofort durchschaut, dass Nachiketa ganz nebenbei mit seinem ersten Wunsch zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hatte. Bisher war noch keiner vom Haus des Todes wieder zurückgekehrt. Also hatte Nachiketa durch seinen Wunsch nicht nur erreicht, dass er dem Tod entkommen, sondern auch, dass sein Vater ihn wieder in Liebe aufnehmen würde.
Yama gewährte dem klugen Jungen voller Freude seinen ersten Wunsch:
“Euer Vater wird Euch wie zuvor schätzen. Er wird in der Nacht ruhig schlafen und, wenn er Euch wiedersieht, seinen Ärger verlieren.”
Danach fragte Yama nach dem zweiten Wunsch. Er ahnte schon, dass dieses junge Brahmanenkind sich nicht mit irgendwelchen banalen Wünschen aufhalten würde. Also wartete er gespannt auf seine Antwort.
Und das zu Recht, denn Nachiketa bat ihn darum, ihm die Durchführung des himmlischen Feueropfers zu zeigen, mit dem man sofort in den höchsten Himmel gelangen könnte.
Wieder war Yama schwer beindruckt. Er freute sich sehr über die Frage und unterwies den Jungen dann in der Kunst dieses besonderen Yagnas. Er zeigte Nachiketa gründlich, wie man das Feueropfer ausführen musste – welche Ziegelsteine für den Altar notwendig waren, wie viele man brauchte und wie sie angeordnet sein müssten. Nachiketa wiederholte alles ganz genau so, wie es ihm erklärt wurde und merkte sich bis zum allerletzten Ziegelstein, wie das Yagna auszuführen war. Es dauerte nicht lange, bis er dazu in der Lage war, mit Hilfe dieses Rituals in den allerhöchsten Himmel zu kommen und lange dort zu verweilen.
Yama freute sich so sehr über seinen gelehrigen Schüler dass er ihm noch eine Art Bonus, ein Extra-Segen gewährte. Er benannte dieses Feueropfer nach Nachiketa. Und er versprach ihm, dass, wer auch immer dieses Feuerritual drei Mal ausführen würde, die Fesseln des Todes abwerfen, allen Kummer überwinden und für lange Zeit im höchsten Himmel bleiben könnte.
Danach fragte der Todesgott Nachiketa nach seinem dritten und letzten Wunsch. Wieder wartete er gespannt darauf, was der Junge ihm diesmal antworten würde.
Dass Nachiketa sehr klug war, haben wir bereits mitbekommen, aber wie clever und weise er war, zeigte sich erst jetzt. Im Laufe seines jungen Lebens hatte er schon begriffen, dass die meisten Menschen sich – so wie auch sein Vater – die ganze Zeit damit beschäftigten, ob sie nach dem Tod in den Himmel oder in die Hölle kommen würden. Sehr viel weiter dachte kaum einer nach. Aber Nachiketa hatte verstanden, dass auch die schönste Zeit im Himmel irgendwann zu Ende gehen und der Kreislauf von Geburt und Tod wieder von Neuem beginnen würde. Irgendwie spürte er jedoch, dass das nicht alles gewesen sein könnte; dass es noch etwas anderes geben müsste, als dieses sich ewig drehende Rad von Tod und Wiedergeburt.
Also wollte er es genauer wissen: “Verehrter Yama, es gibt diesen Zweifel, wenn ein Mensch stirbt – einige sagen, dass er dann noch existiert, andere sagen, dass er dann nicht mehr existiert. Ich würde es gerne wissen. Oh Herr des Todes, verratet mir Euer Geheimnis. Kann ein Mensch sich Eurem Griff für immer entziehen und Unsterblichkeit erlangen?”
Mit dieser Frage hatte Yama nicht gerechnet. Er konnte es überhaupt nicht glauben, dass so ein kleiner Junge, so eine große und wichtige Frage stellte.
„Nachiketa, über diesen Punkt haben sogar die Götter ihren Zweifel. Es ist so schwer zu verstehen. Bitte Nachiketa, wähle einen anderen Wunsch. Dränge mich nicht. Bitte gib mir zuliebe diesen Wunsch auf.“
Der dachte aber überhaupt nicht daran, seinen Wunsch aufzugeben. Einen zweiten Lehrer wie Yama würde er nirgendwo mehr finden: „Nein, es tut mir leid, ich möchte von Dir wissen, wie man dem Rachen des Todes für immer entkommen kann.“
Da versuchte Yama, ihn mit anderen Mitteln von seinem Wunsch abzubringen:
„Wünsche dir Söhne und Enkel, die hundert Jahre leben. Wünsche dir Rinderherden, Elefanten, Gold und Pferde. Wünsche dir das ganze Erdreich und lebe so viele Jahre, wie du möchtest.“
„Nein, Yama, ich will etwas über die Unsterblichkeit wissen.“
„Nachiketa, wünsche Dir irgendetwas anderes. Egal was, ich werde Dir jeden Wunsch erfüllen. Ich verschaffe Dir allen Reichtum der Welt; ein Wort von Dir und ich mache Dich sogar zum König der Welt. Nur lasse von Deinem Wunsch ab.“
„Nein, … Ich will nichts anderes. Erzähle mir von der Unsterblichkeit.“
Da startete Yama noch einen letzten verzweifelten Versuch, den Jungen zu locken: „Alles was ich Dir angeboten habe, bekommst Du. Und noch zusätzlich die allerschönsten Mädchen, mit ihren Festwagen und ihren Musikinstrumenten. Die Mädchen sind so schön, wie sie noch kein Sterblicher jemals gesehen hat. Ich werde sie Dir nur zu Deiner Unterhaltung schenken. Aber, bitte, frage mich nicht danach, was mit dem Dasein der Seele nach dem Tod geschieht!“
Nachiketa ließ sich nicht erweichen: „Lieber Yama, behalte deine Vergnügungswagen, den Tanz und die Musik für Dich. Das sind nur kurzlebige Dinge. All diese vermeintlichen Freuden laugen nur die Kraft der Sinne aus. Irgendwann werden sie einem überdrüssig sein, denn kein Mensch kann durch Reichtum oder die Freuden der Sinne glücklich werden. Und nachdem ich Dir nun so nahegekommen bin, und so viel erfahren habe, warum sollte ich noch Interesse an solch vergänglichen Dingen wie Schönheit und Spiele haben. Wofür soll das gut sein?
Also Yama, Du hast es versprochen, komm zur Sache und erzähle mir von dem, worum ich Dich gebeten habe.“
Und da wurde es letztendlich auch Yama klar, dass er gegen die Entschlossenheit Nachiketas keine Chance hatte und er gewährte ihm auch diesen dritten Wunsch. Er weihte ihn in das Wissen ein, wie man die Täuschung der Maya überwinden und zur endgültigen Befreiung gelangen könne.
Eine Nacherzählung von Katharina Berrrenberg





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